04.02.2021
BRANDBRIEF an Abgeordnete!
Bayerns Friseure schlagen Alarm im Bundestag und Landtag
Heute ging ein Hilferuf des bayerischen Friseurhandwerks an die Adresse der bayerischen Bundestagsabgeordneten in Berlin und die Abgeordneten des Bayerischen Landtags in München. Hier der Wortlaut des Briefes:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn es so weitergeht, dann geht es nicht mehr weiter. Das gilt zumindest für viele Friseurbetriebe in Bayern. Jetzt muss schnell gehandelt werden, denn die Rücklagen sind nach mehr als 13 Wochen Schließung seit März 2020 aufgebraucht. Unsere bayerischen Friseurinnen und Friseure brauchen endlich eine umgehende und unbürokratische Soforthilfe, um die unverschuldete Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Wir senden ein SOS für unsere Betriebe an Sie. Seit 16. Dezember dürfen Friseure ihre Dienstleistungen nicht mehr erbringen. Seit über sieben Wochen ist der Umsatz bei Null, während die Kosten weiterlaufen. Und die staatliche Unterstützung beträgt bei den meisten Salons bis heute 0 Cent. Angesichts von Kurzarbeitergeld, Ausbildungsprämien, vereinfachter Grundsicherung, KfW-Krediten und Überbrückungshilfe schier unglaublich. Und dennoch bittere Realität: Friseure verhungern gerade am ausgestreckten Arm des deutschen Staates. Warum das so ist, wollen wir Ihnen gerne erklären und fordern Ihre Unterstützung.
Überbrückungshilfe
Die Kriterien der Überbrückungshilfe II erfüllen nur wenige Friseursalons. Vom 4. Mai bis 15. Dezember 2020 durften die Salons ihre Dienstleistungen erbringen. Aufgrund der hohen Hygienestandards
waren zwar die Kosten höher und die Auslastung geringer, doch der Umsatzrückgang lag in der Regel unter den erforderlichen 30 Prozent.
Mit der Schließung ab 16. Dezember 2020 sind die Friseursalons antragsberechtigt für die Überbrückungshilfe III. Mittlerweile sind über sieben Wochen ohne Umsätze ins Land gegangen. Und
auch über sieben Wochen ohne die Chance, einen Antrag für die Überbrückungshilfe III zu stellen. Unter der Hand ist zu erfahren, dass die Antragstellung auch nicht vor Ende Februar möglich sein
wird. Bis das System wirklich rund läuft soll es Mitte März sein, sodass mit der Auszahlung nicht vor Ende März zu rechnen sei. Die betrieblichen und privaten Ausgaben laufen von diesen Problemen
völlig unbeeindruckt gnadenlos weiter.
Apropos private Ausgaben: Dass ein Einzelunternehmer vom Gewinn seinen Lebensunterhalt, seine Krankenversicherung und Altersvorsorge bestreiten muss, lässt die Überbrückungshilfe außer Acht. Ein
Unternehmerlohn ist bei den berücksichtigungsfähigen Kosten bislang nicht vorgesehen. Aber dafür hat der Unternehmer ja einen vereinfachten Zugang zur Grundsicherung, im Volksmund auch Stütze
genannt.
Grundsicherung
Vom psychologischen Problem, einen Unternehmer, der es gewohnt ist Menschen und ein Unternehmen zu führen, auf die Grundsicherung/Hartz IV/Stütze zu verweisen, wollen wir an dieser Stelle mal
absehen. Viele Unternehmer haben ihren Stolz und ihre Vorbehalte über Bord geworfen und noch im Dezember einen Antrag auf Grundsicherung gestellt. So viele Unternehmer, dass die Bearbeitung der
Anträge auf sich warten lässt. Bis heute. Fazit: Ein vereinfachter Zugang (= Antragstellung) heißt nicht, dass sieben Wochen später schon Geld auf dem Konto ist.
Kurzarbeitergeld
Wie gut, dass der Unternehmer wenigstens für seine Mitarbeiter, sofern es sich nicht um geringfügig Beschäftigte oder Azubis handelt, Kurzarbeit beantragen kann. Ein Instrument, das Friseuren bis
zum Frühjahr 2020 gänzlich fremd war. Aber im zweiten Lockdown ist man ja geübter. Also wurde gleich im Dezember Kurzarbeit angezeigt und Kurzarbeitergeld beantragt. Am Monatsende ist allerdings
erstmal der Arbeitgeber in der Pflicht und muss das Kurzarbeitergeld vorstrecken. Inzwischen wurden Gehalt/Kurzarbeitergeld für Dezember und Januar vom Unternehmer an die Mitarbeiter überwiesen –
wenn der finanzielle Spielraum dafür überhaupt noch vorhanden war, denn das Unternehmen ist seit 16. Dezember ohne Einnahmen! Die Bearbeitung der KuG-Anträge bei der Arbeitsagentur dauert
selbstverständlich noch, schließlich gibt es überraschenderweise nach der reihenweisen Schließung von Unternehmen seit Anfang November 2020 eine Vielzahl von Anträgen zu bearbeiten. Aber
irgendwann im Laufe des Februars wird das Kurzarbeitergeld vom Dezember schon noch an den Unternehmer ausbezahlt werden. Dann fehlt ja nur noch die Zahlung für Januar. Ob sie rechtzeitig erfolgt,
um damit das KuG für Februar vorzustrecken? Ausbildungsbetriebe werden im Übrigen zusätzlich bestraft, denn für die Azubis gibt es in der Regel kein Kurzarbeitergeld.
KfW-Kredite
„Um Ihre Liquidität zu verbessern und laufende Kosten zu decken, können Sie jetzt einen KfW-Kredit erhalten. Den Kredit beantragen Sie bei Ihrer Bank oder Sparkasse“, heißt es auf der Website der
KfW. Haben Sie schon einmal versucht, bei Ihrer Bank oder Sparkasse einen Kredit zu beantragen, wenn Ihre Konten allesamt leer sind? Sie werden die gleiche Erfahrung machen wie die
Friseurunternehmer, die es versucht haben. Wer leere Konten hat und keine positive Prognose für sein Unternehmen liefern kann – wie auch, wenn es keine Perspektive für die Wiedereröffnung gibt –
bekommt auch keinen KfW-Kredit.
Bundesprogramm „Ausbildungsplätze
sichern“
Bleibt zumindest die Hoffnung auf einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung, wenn Azubis trotz Lockdown weiter ausgebildet werden. Arbeitgeber, die trotz Kurzarbeit die Ausbildung fortsetzen,
erhalten einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent der Ausbildungsvergütung. Weitere Voraussetzung ist, dass auch der Ausbilder nicht in Kurzarbeit ist. Das sollte aber nun doch für den
Friseurunternehmer ein Leichtes sein! Wenn, ja wenn da nicht ein kleiner Schönheitsfehler im Programm wäre. Der Ausbilder muss nämlich grundsätzlich einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Bei
unseren Friseurunternehmen handelt es sich in der Regel um Einzelunternehmen, in denen der Betriebsinhaber aufgrund seiner Meisterqualifikation die Ausbildungsberechtigung hat und daher selber
die Verantwortung für die Ausbildung trägt. Einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hat er als Selbstständiger allerdings nicht. Daher wird er auch keinen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung erhalten,
obwohl er mehrere Tage in der Woche seine Azubis an Übungsköpfen oder online unterweist.
Gut gemeint ist leider nicht gut gemacht. Und daher stehen die Friseurunternehmer nach mehr als sieben Wochen Zwangsschließung im zweiten Lockdown ohne staatliche Unterstützung, mit leeren Konten und ohne Öffnungsperspektive da.
Wir fordern Sie als unsere gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter auf, endlich zu handeln. Die Stimmung in der Friseurbranche ist schlecht, sehr schlecht. Die Betriebe haben die Schließung nicht zu vertreten, müssen sie aber im Moment alleine ausbaden. Als Landesinnungsverband sind wir inzwischen täglich mit drohenden Betriebspleiten konfrontiert.
17.01.2021
Bald nur noch 10,-€ FRISEURE?
Die Situation im Friseurhandwerk ist ein Desaster, den Meisten mehr oder weniger bekannt. Darum habe ich die zugehörigen
Fakten an den Schluss dieses Statements gestellt.
Dem Friseurhandwerk geht es schlecht. Zurzeit gibt es Hilferufe und Brandbriefe aus allen Richtungen in Richtung Politik. Berechtigt, denn die Versprechungen der Politik werden nicht gehalten,
reichen nicht aus, haben zudem einen falschen Denkansatz der zu weiteren, katastrophalen Auswüchsen führen kann.
EIN SCHLAG INS GESICHT
Für uns als Friseurunternehmer, sind die sogenannten Hilfsmaßnahmen, insbesondere die Überbrückungshilfe III (in der jetzigen geplanten Form) ein Schlag ins Gesicht der vielen redlichen
Unternehmer, die Mitarbeiter fair entlohnen und ihre Einnahmen ehrlich versteuern.
DER EHRLICHE IST DER DUMME
Als der zweite Lockdown angekündigt wurde, haben viele Friseure reagiert um überhaupt etwas (vom sonst umsatzstärksten Monat) zu retten. Freie Tage wurden gecancelt, Öffnungszeiten ausgeweitet.
Die Medien berichteten, dass viele Kollegen/innen bis tief in die Nacht im Salon standen, um jetzt festzustellen, dass ihr Unternehmen für die Überbrückungshilfe nicht in Frage kommt.
Voraussetzung dafür sind nämlich wenigstens 30%. Umsatzverlust.
Es gibt Unternehmen, die haben nur wenige €uro „zu viel“ eingenommen – werden jetzt wegen Fleiß und Ehrlichkeit bestraft, indem Hilfe verwehrt wird. Schwarze Schafe, die es nun mal in jeder
Branche gibt, können ihre Einnahme und ihr nicht sichtbares Schwarzgeld behalten und bekommen Überbrückungshilfe, weil der Verlust größer als 30% war? Das kann nicht sein!
UMSATZ IST NICHT GEWINN
Was die Politik außer Acht lässt: das Friseurhandwerk ist das Handwerk mit den niedrigsten Margen. Unsere Branche arbeitet im Durchschnitt mit einem Reingewinn von rund 10 % .
Selbst wenn der Umsatzverlust „nur“ 25 % beträgt, bedeutet das keineswegs, dass dieses Unternehmen einen Gewinn erzielt hat. Oft sind nicht einmal die Kosten gedeckt. Der Unternehmer verfügt über
keinerlei Kapital zum Lebensunterhalt, verschuldet sich darüber hinaus durch die nicht gedeckten Kosten. Hier ist auch der angedachte Prozentsatz zum Ausgleich eines Verlustes bei den Fixkosten
nicht hilfreich.
DIE GRAUSAMKEIT DER TRIAGE
Wen lassen wir leben, wer stirbt? Müssen die Kleinen verrecken, damit große Ketten und Konzerne profitieren?
Der Staat kann nur begrenzt helfen? Mir fallen da die (von Fachleuten geschätzten) 1.000 Milliarden €uro ein, die von den Globalplayern am Allgemeinwohl verbeigeschleust werden…
Aber ich denke auch an die rund 30% Kleinstunternehmer im Friseurhandwerk. Ihnen geht, wegen der angegeben niedrigen Umsätze, ein gewisser Ruf vorher, es wäre aber anmaßend alle als schwarze
Schafe abzustempeln. Mit einem maximalen Jahresumsatz von 20.000 € liegen sie am Existenzminimum und bedürfen Hilfe, keine Frage.
Umgekehrt sind diese aber Umsatzsteuer befreit, bilden so gut wie nie aus, beschäftigen keine Arbeitnehmer – Als Soloselbstständige dürfen sie aber ohne Steuerberater oder Verlustnachweis die
Überbrückungshilfe beantragen.
Nein, ich fordere keineswegs die Triage, wohl aber Gleichbehandlung für alle, die ehrlich und fair arbeiten! Es kann nicht sein, dass der Teil der Marktteilnehmer, der von der Umsatzsteuerbefreiung profitiert problemlosen Zugang zu Hilfen hat und den Unternehmen, die hier das Nachsehen haben und alles finanzieren, wird der Zugang vorerst verwehrt.
DIE ZUKUNFT ALS HORRORSZENARIO
Die Unausgeglichenheit dieser schnellgestrickten und immer wieder geflickten und modifizierten „Hilfsmaßnahmen“ beängstigt einem. Das Friseurhandwerk erlebte in den letzten Jahrzehnten einen Verdrängungswettbewerb. Viele Unternehmer/innen haben sich wacker geschlagen, auch wenn für sie das Handwerk nicht mehr den „goldenen Boden“ von einst hatte. Sie haben ausgebildet, Arbeitsplätze geschaffen und ehrlich ins Allgemeinwohl gewirtschaftet.
JETZT – und mit den Überbrückungshilfen III - haben aber die ihre Nase vorn, die früher schon den Haarschnitt auf Staatskosten subventioniert und sich dem Allgemeinwohl entzogen haben.
Die Folgen einer falschen Unterstützung sind fatal! Werden wir demnächst nur noch 10.- € und Discountfriseure in unseren Städten erleben und einige wenige Luxussalons dazu?
Das könnte passieren, wenn die Regularien zu den Hilfsmaßnahmen so bleiben wie sie jetzt angedacht sind. Werden wir vor
leeren Schaufenstern stehen, während sich Amazon ins Fäustchen lacht????
UMDENKEN
Nein, ich fordere weder das sofortige Ende des Lockdowns, noch möchte ich die Politik beschimpfen. Persönlich möchte ich nicht Entscheidungen solcher Tragweite treffen, zumal alles Neuland ist. Als Mitglied der BUSINESS HANSE folge ich einem anderen Denkansatz, dem der Nachhaltigkeit.
Ich glaube, dass wir die derzeitige Katastrophe gemeinsam bewältigen können, aber nur wenn sozialer Zusammenhalt und Frieden
gewährleistet sind. So einige, der vorgenannten Dinge, sind hier (meiner persönlichen Auffassung nach) kontraproduktiv.
An die Adresse der Politik gerichtet, fordere ich ein Umdenken.
Die über 200 000 Tätigen in meinem Handwerk – nebst hunderttausenden Menschen in anderen Berufen sind wichtiger als der
Börsenkurs von Amazon. Für mein Handwerk wurde zwar schon lange ein „Gesundschrumpfungsprozess“ gewünscht – aber wenn am Ende die ehrlich und fair agierenden Handwerker verschwunden sind ist das
zwar geschrumpft – aber nicht gesund.
Beziehen Sie die Gedanken der Nachhaltigkeit, Fairness und Redlichkeit in Ihre Überlegungen mit ein.
Rene Krombholz
Friseurunternehmer und Fachautor
Initiator der Wertegemeinschaft "Der faire Salon"
25.11.2019
Es reicht mit der Bürokratie im Friseurhandwerk
Die überbordende Bürokratie erstickt die unternehmerische Tätigkeit.
Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei,
Dr. Florian Herrmann (CSU),
musste sich in einer Versammlung in der Handwerkskammer München
deutliche Worte vom Friseurhandwerk gefallen lassen.
Doris Ortlieb, Geschäftsführerin des Landesinnungsverbandes der Friseure,
verlas einen gekürzten Brief einer Friseurmeisterin, die auflistete, wie sie durch
die Bürokratisierung in ihrer Unternehmertätigkeit
gehemmt wird.
„Herr Staatsminister, es reicht – wir wollen endlich Taten sehen“,
so Doris Ortlieb.
„Die bayerischen Friseure verlieren den Überblick bei der Vielzahl
von bürokratischen Anforderungen“, so Ortlieb weiter. „Es ist oftmals unklar,
wie man es richtig macht.“ Gerade bei der Kassennachschau wird
den Friseuren durch die Betriebsprüfer vermittelt, dass sie gar keine
Chance haben, es richtig zu machen. Das Motto der Betriebsprüfer
lautet leider oftmals: „Irgendwas finden wir schon.“
Die bayerischen Friseurunternehmer haben das Gefühl „unter
Generalverdacht zu stehen und für jeden noch so kleinen Fehler,
auch der Mitarbeiter, verantwortlich zu sein.“
Die Geschäftsführerin des bayerischen Friseurhandwerks mahnt:
„Den Unternehmern wird die Selbstständigkeit und vor allem das
Beschäftigen von Mitarbeitern verleidet. Dies wird gravierende Auswirkungen
in der Zukunft haben.“
Wenn es nicht so ernst wäre langsam, müsste man darüber sehr viel Lachen.
Brief einer Friseurmeisterin zu den Bürokratiebelastungen im Friseurhandwerk
Sehr geehrter Herr Dr. Herrmann, sehr geehrte Damen und Herren,
der Landesinnungsverband hat mich gebeten, für die heutige
Veranstaltung Beispiele für Bürokratiefälle aus der Praxis zu beschreiben.
Ich bitte um Verständnis, dass ich das schriftlich mache und
mein Brief von Verbandsgeschäftsführerin Doris Ortlieb vorgetragen wird.
Mir fehlt einfach die Zeit, um bei der dünnen Personaldecke statt im Salon
bei Ihrer Veranstaltung zu sein. Denn mein Geld verdiene ich immer noch
mit der Arbeit an meinen Kunden.
Bürokratiefälle aus der Praxis –ganz ehrlich, ich habe echt ein wenig
überlegen müssen, da ich mich als brave Unternehmerin wie
so viele versuche in alles einzufügen. Heute, nachdem ich meinen
Schreibtisch durchstöbert habe, habe ich die Unterlagen
meiner Präqualifizierung gefunden, die immer noch nicht abgeschlossen ist.
Beim ersten Mal hatte ich auf den Fotos meine Unterschrift und den Stempel
meines Betriebes vergessen, beim zweiten Mal hat die Präqualifizierungsstelle
die Unterlagen angeblich nicht bekommen.
Was ist die Präqualifizierung?
Ich habe Kunden, die aufgrund einer Erkrankung –meistens Krebs –eine
Perücke benötigen. Ich bin nicht auf Perückenversorgung spezialisiert,
aber für meine Stammkunden biete ich diese Dienstleistung dennoch an.
Es sind 15 bis 20 Fälle im Jahr. Für die Abrechnung mit den Krankenkassen
benötige ich eine IK-Nummer, eine Präqualifizierung und einen Vertrag.
Die IK-Nummer habe ich zum Glück seit vielen Jahren, die ändert
sich auch nicht. Die Präqualifizierung muss ich alle fünf Jahre
erneuern. Die letzte Präqualifizierung hat mich noch 150 Euro gekostet,
für die neue werden rund 600 Euro fällig werden. Denn jetzt muss ich
nicht nur einen Wust an Unterlagen einreichen, sondern es müssen im
Fünf-Jahres-Zeitraum auch zwei –natürlich kostenpflichtige -Überprüfungen
durch die Präqualifizierungsstelle stattfinden. Für die Präqualifizierung
muss ich einreichen: Gewerbeanmeldung oder Handwerksrolleneintragung,
Nachweis der Betriebshaftpflichtversicherung (nicht älter als 12 Monate),
eine Kurzbeschreibung, wie ich die zeitnahe Verfügung von Produkten
und die sachgerechte Durchführung von Reparaturen sicherstelle,
eine Kopie des Grundbuchauszuges oder Mietvertrages meines Salons sowie
eine Grundrissskizze und Fotodokumentation von Empfangsbereich,
Beratungsbereich, Lagermöglichkeit und Werkstattraum sowie einen
siebenseitigen Fragebogen. Wenn ich die Präqualifizierung habe, benötige
ich nur noch einen Vertrag mit den Krankenkassen. Mein Vertrag
mit dem Verband der Ersatzkassen hat 27 Seiten. Und ganz ehrlich, vieles,
was da drinsteht, habe ich nicht verstanden. Damit sind aber nur
6 von 109 gesetzlichen Krankenkassen vertraglich abgedeckt. Mit den anderen
kann ich bei Bedarf Einzelverträge schließen. Das ist je nach Kasse einfach
oder kompliziert. Ich überlege mir, das Perückengeschäft aufzugeben,
weil es sich für mich nicht mehr lohnt. Für meine an Krebs erkrankten
Stammkunden bedeutet das, dass sie in dieser ohnehin schwierigen
Situation nicht mehr zu mir als der Friseurin ihres Vertrauens kommen
können, sondern 60 Kilometer zum nächsten Perückenstudio fahren
müssen.
Ein weiteres schönes Bürokratiebeispiel ist die Gefährdungsbeurteilung
für meinen Salon. Jeder Betrieb, der mindestens einen Mitarbeiter beschäftigt,
muss eineGefährdungsbeurteilung erstellen. Ohne die Hilfe meiner Innung
und das Onlineangebot der Berufsgenossenschaft hätte ich nicht gewusst,
wie ich das machen soll. So habe ich mich an meinem freien Tag in einen
dreistündigen Kurs der Innung gesetzt und unter Anleitung
durch die Online-Gefährdungsbeurteilung der BGW geklickt. Das war
für mich letztlich die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit.
Alternativ hätte ich eine Fachkraft für Arbeitssicherheit mit
dem Erstellen der Gefährdungsbeurteilung beauftragen können. Das hätte
dann schon wieder einige hundert Euro gekostet. Das Ergebnis meiner
Gefährdungsbeurteilung sind 78 Seiten bedrucktes Papier, die nun fein
säuberlich abgeheftet in einem Ordner im Aufenthaltsraum des Salons
stehen. Ich habe die Gefährdungsbeurteilung natürlich auch meinen
Mitarbeiterinnen zur Kenntnis gegeben, ganz so, wie es vorgeschrieben
ist. Und schließlich geht es um deren Gesundheit und Wohlergehen. Jubel,
Begeisterung und Dank habe ich in dieser Mitarbeiterbesprechung
dennoch nicht geerntet, nur verständnislose Blicke. Gelächter gab
es allerdings bei meiner Vorstellung der Gefährdungsbeurteilung nach
dem Mutterschutzgesetz. Ich habe bei der Gefährdungsbeurteilung
festgestellt, dass von der Arbeit keine Gefahr für werdende
Mütter ausgeht. Meine Mitarbeiterinnen haben ohne Gefährdungsbeurteilung
festgestellt, dass für sie nicht einmal die Gefahr einer Schwangerschaft besteht.
Sie sind nämlich alle im besten Alter, also jenseits der 50. Das interessiert aber
den Gesetzgeber nicht. Seit 1.1.2019 muss jeder Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung
nach dem Mutterschutzgesetz machen. Ganz egal, ob er eine Schwangere,
Frauen im gebärfähigen Alter oder auch nur Männer beschäftigt. Die Geldbuße
liegt übrigens bei schlappen 3000 €.
Meine Ausführungen gehen jetzt schon über 1,5 Seiten und Sie sind
möglicherweise der Meinung, dass ich langsam zum Ende kommen sollte.
Das kann ich leider nicht, denn das ist ja nur die Spitze des
Bürokratieberges, der uns Unternehmern zugemutet wird.
Die Themen Aufzeichnungspflichten bei Minijobbern, Mitwirkung bei der
amtlichen Statistik, Arbeitsbescheinigungen für arbeitslose Ex-Mitarbeiter,
Aufbewahrung elektronischer Rechnungen, Überprüfung elektrischer Anlagen
und Betriebsmittel, Bescheinigungen für die Kindergeldkasse, Urlaubskürzung
für die Elternzeit, Datensicherung und 10jährige Aufbewahrungspflicht,
Feuerlöscherprüfung, Ersthelferschulung, Kassenführung und Datenschutzgrund-
verordnung habe ich noch nicht einmal gestreift. Lassen Sie mich
wenigstens zur Datenschutzgrundverordnung und zur Kassenführung
noch kurz etwas ausführen. Denn so unterschiedlich die beiden Themen sind,
so gibt es doch eine wesentliche Gemeinsamkeit. Ich halte sowohl den
Datenschutz als auch eine ordnungsgemäße Kassenführung für gut und
wichtig und versuche beide Themen in der Praxis so gut ich es vermag
umzusetzen. Das Problem an der Sache sind die umfangreichen
Dokumentationspflichten, mit denen ich einfach überfordert bin. Für
Menschen, die mit Verwaltungstätigkeiten vertraut sind, mag das kein Problem
sein, mir ist schon allein die Denkweise dahinter fremd. Für den
Datenschutz soll ich ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten erstellen.
Wer lässt sich so etwas einfallen und wofür soll das gut sein? Ich arbeite
mit Haaren, nicht mit Daten. Ich schreibe Kundennamen auf, unter anderem
weil es das Finanzamt so will, und bei meinen Farbkunden außerdem noch
die Rezepturen.Das war es. Und natürlich habe ich Daten meiner Mitarbeiterinnen
und meiner Lieferanten. Aber dass ich das in ein eigenes Verzeichnis schreiben
soll, verstehe ich nicht. Und bei der Kasse ist es ähnlich. Die Anforderungen an
die Kassenführung leuchten mir noch weitestgehend ein. Über das vieldiskutierte
Zählprotokoll am Abend will ich mich hier und jetzt nicht auslassen. Aber was
bitte bringt eine Verfahrensdokumentation zur ordnungsgemäßen Kassenführung?
Ich habe von meiner Innung ein Muster für diese Verfahrensdokumentation
bekommen, es hat 38 Seiten. Hätte ich Personal für die Büroarbeit, würde ich das
Muster einfach weitergeben und dann nur noch die fertige Dokumentation
zur Kenntnis nehmen. Das Personal habe ich aber nicht und kann ich mir als
kleiner Friseurbetrieb auch nicht leisten. So werde ich mich an einem der
Adventssonntage, wenn meine Freunde zum Glühweintrinken auf den
Christkindlmarkt gehen, hinsetzen und erstmal versuchen, die
38 Seiten zu lesen und zu verstehen. Und vielleicht schaffe ich es dann
auch eines Tages, diese Dokumentation zu erstellen. Eine von vielen.
Während Sie sich an diesem Mittwoch in der Handwerkskammer mit den
Bürokratiebelastungen befassen, werde ich meine Kunden bedienen.
Im Terminkalender steht der örtliche Bundestagsabgeordnete mit Kopf waschen
und Rasieren. Das mache ich doch gerne.
In diesem Sinne, Herr Dr. Herrmann, wann haben Sie bei mir einen Termin?
01.01.2019
Diskussion über die Höhe der Preise
Sie wundern sich, dass der Haarschnitt einmal 9,99 €, woanders aber
50,- € kostet?
Das können wir verstehen, das sind Tatsachen die auch wir bemängeln.
Wir sind in erster Linie Handwerksbetriebe. Um einen Gewinn von ca. 20%
zu erreichen,müssen wir mit Stundensätzen von ca. 60,- €uro kalkulieren.
Zumindest wenn wir unseren Mitarbeitern wenigstens den Mindestlohn und
Ihnen gute Qualität bei Dienstleistung und Produkten garantieren wollen.
Bedeutet: für 30 Minuten Herrenschnitt sind ca. 30,- € oder für 1 Stunde
Schnitt, Pflege und Frisur sind ca. 60,- € ein fairer Preis.
Niedrigstpreise beim Friseur sind in der Vergangenheit auch durch Lohndumping
zu Stande gekommen. Vollzeitbeschäftige wurden zum Teil mit 500,- €
Monatslohn nach Hause geschickt. Der fehlende Betrag zum Lebensunterhalt
wurde staatlich aufgestockt.
Das haben Sie mit ihren Steuern und Sozialabgaben so nebenbei mitbezahlt.
Billiganbieter gibt es auch heute noch und sie existieren weiter.
Bei notwendigen Deckungsbeiträgen von circa 50-60 € in der Stunde
werden 10€uro Schnitte dann eben im 10minutentakt gefertigt.
Produkte müssen von den Mitarbeitern (ohne Rücksicht auf Notwendigkeit
bei Ihnen) an den Mann/die Frau gebracht werden.
Auf Service oder fachlich hochwertige Arbeiten wird vielfach kein Wert
gelegt. In diesem Konzept steht das Motto „Zeit ist Geld“ im Vordergrund
und nicht Sie als Mensch. Arbeit mit Liebe und Sorgfalt -mit hochwertigen
Produkten und fair bezahlten Mitarbeitern -ergibt eine bessere Qualität,
erfordert aber auch einen anderen Preis.
Das sind keine Wucherpreise, sondern DAS sind faire Preise!
Sie wundern sich, warum das Haarspray der Marke XYZ im
Drogeriemarkt 3,99 € kostet und Sie beim Friseur dafür 14,90 €
bezahlen müssen?
Die Antwort findet sich im Kleingedruckten:
neben dem Markennamen XYZ tragen die „friseur exklusiven“ Produkte
den Aufdruck PROFESSIONAL.
Bedeutet:
hier ist nicht nur Anderes drin, sondern hier liegt der Einkaufspreis
deutlich über 10,- Euro, plus Mehrwertsteuer und ab Werk. Oftmals
benötigen Sie auch pro einzelne Anwendung deutlich weniger.
Auch hier die Erkenntnis:
eine andere Qualität hat einen anderen Preis.
Ehrlich gesagt:
wir im Friseurhandwerk können weder unsere Waren, geschweige unsere
Dienstleistung mit 70% oder 80% Rabatt anbieten.
Übrigens: kein ehrlicher Kaufmann kann das auf Dauer!
In der Regel liegt unser Gewinn zwischen 17% und 22 %, für viele
Unternehmer reicht dieser Gewinn nicht einmal mehr, um der Familie
einen auskömmlichen Lebensunterhalt zu garantieren. Der konventionelle
Unternehmer muss seinen Lebensunterhalt aus einem Salon bestreiten -
der Discounter hat dazu 10, 20, vielleicht auch 50 oder 100 Salons..... !
Und jeden mit Gewinn!
Es gibt auch im Friseurberuf Mitarbeiter die als TOP Verdiener gelten.
Die Realität auf breiter Front sieht anders aus, Die Mehrheit der
Mitarbeiter/innen befindet sich in der Nähe des Mindestlohns.
An dieser Stelle wird es aber jetzt bedenklich:
während 12-15,- € Stundenlohn heute für eine Putzfrau schon als
normal und gerechtfertigt angesehen werden sind die Friseurpreise
im Salon ständiges Diskussionsthema.
Wir würden gerne unseren Meisterinnen oder Gesellinnen mit
15,- € bis 20,- € entlohnen wollen - dann müssten sich die
Dienstleistungspreise aber drastisch erhöhen.
Wir erleben tagtäglich volle Restaurants, jeder will das neueste Smartphone
oder Designerklammoten haben. Warum auch nicht.... jedem das seine!
Aber warum sparen Sie letztlich an sich selber?
Die Frisur ist letztlich das I-Tüpfelchen zu Ihrem Erscheinungsbild....
Einige Hundert €uro für den angesagten Anorak aber nur 10,- € für
einen Haarschnitt bei Ihnen selbst? Mit der Begründung:
weil alles Andere zu teuer ist?
Wir vermissen schlichtweg die Wertschätzung vor den Menschen,
die hier bereit sind, trotz nicht allzu hoher Löhne, tagtäglich ihre
beste Leistung zu bringen. Arbeit mit Liebe und Sorgfalt hat
einfach Anerkennung verdient – dann aber bitte keine
Diskussion über Preise.
Billiganbieter haben den herkömmlichen Salons eine Menge Kunden
abgenommen, der Verdrängungswettbewerb ist knallhart. Kosten
entstehen auch durch die ärgerliche Tatsache, dass heute viele Termine
gebucht, aber dann weder eingehalten oder abgesagt werden.
Leerlaufzeiten von 30% und mehr (in denen keine Einnahme erzielt wird)
sind heute zum Teil Realität!
Das traurige Ergebnis des harten Wettbewerbs in diesem Markt ist die
Tatsache, dass jeder dritte Friseurbetrieb in der Bundesrepublik weniger
als 1.450 € Umsatz im Monat erwirtschaftet.
Diese sogenannten „Kleinstunternehmer“ brauchen nicht, (wie alle anderen
Unternehmen) 19 % ihrer Einnahme als Umsatzsteuer abzuführen.
Auch dieses ist eines der Probleme unserer Branche, der Wettbewerb
ist total verzerrt.
Wir möchten Ihnen auch in Zukunft eine qualitativ gute Dienstleistung
von gut bezahlten Mitarbeitern bieten. Das ist aber mit Niedrigpreisen
nicht realisierbar.
Darum diese Informationen an Sie, sicher werden sie jetzt einiges besser
verstehen und können jetzt fairer urteilen.
Das nämlich wäre unser Wunsch
> Aus Wertschätzung, Fairness und dem Respekt <
vor der Leistung unserer Mitarbeiter/innen!
Dieses ist ein Beitrag aus der Wertegemeinschaft für das
Friseurhandwerk "Der faire Salon" . Einige hundert Mitgliedsalons
in ganz Deutschland folgen inzwischen dem Gedanken der
Fairness und Nachhaltigkeit.